Spielkarten und Zauberkünstler im 19. Jahrhundert

Spielkarten haben im 19. Jahrhundert nicht mehr den Status des besonderen, sondern mittlerweile als "Gebrauchsgegenstand" die Massen erreicht. Qualitativ gab es natürlich erhebliche Unterschiede bei den einzelnen Spielen, so daß heute auch eher die hochwertigen Spiele erhalten geblieben sind. Die Verpackungen von Spielkarten bestanden weit bis ins 19. Jahrhundert aus einem einfachen Papierumschlag, der erst im Laufe des 19. Jahrhunderts dann durch die heute noch bekannte Faltschachtel abgelöst wurde. Da es sich bei dem Papierumschlag um ein einfaches Wachspapier handelte, hatte sich damals kaum einer die Mühe gemacht, das Papier säuberlich abzutrennen. Bedauerlicher weise sind deswegen nur wenige der zum Teil sehr kunstvoll bedruckten Verpackungen erhalten geblieben. Bedauerlicherweise wird die Faltschachtel, mit der auch einige sehr schöne Tricks durchgeführt werden können, hierzulande immer mehr durch Plastikboxen ersetzt. Die Verpackung unterscheidet sich kaum noch voneinander. In den USA ist es üblich, die gesamte Verpackung in Cellophan einzuwickeln, während in Europa hergestellte Karten eher direkt in Cellophan eingewickelt sind, und dann erst in einer Faltschachtel bzw. Plastikbox untergebracht werden.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die sogenannten Verwandlungsspiele bzw. Verwandlungskarten beliebt.

Verwandlungskarten

Verwandlungskarten um 1850
Quelle:  Katalog Nr. 21 des bayr. Nationalmuseums München ( Farbteil ab S. 20, bzw. S.301f.)

Die Verwandlungskarten oder Transformationskarten, in England auch als Harlekinkarten bezeichnet, waren im 19. Jahrhundert mitunter sehr beliebt. Sie wurden häufig als Karikaturen eingesetzt. Damals wurden Karten auch durchaus noch zu Lehrzecken eingesetzt. So konnten sich die Kinder von damals ein Bild darüber machen, wie es zum Beispiel in den Kolonien aussieht oder andere Geschichten erleben. Ein ernsthaftes Spielen mit diesen Karten war auf Grund fehlender Indizes sicherlich nicht sehr einfach.

Im Laufe der Zeit haben sich schließlich zwei (bzw. drei, wenn das englische System als Abwandlung der französischen Karten gelten kann) Kartenarten in Deutschland etabliert.

In Gegenden Deutschlands, in denen nicht "nur" Skat gespielt wird, sondern auch Schafkopf, 66, Gaigel, Binokel oder Tarock gespielt wird, kennt man das "deutsche Bild". Dieses Bild wurde im 15. Jahrhundert in Süddeutschland entwickelt und findet auch vor allem in diesen Gegenden Verwendung. deutsches Blatt

Bekannter ist jedoch sicherlich das französische Blatt:

Französisches Blatt

Angeblich ist das französische Blatt aus dem deutschen Blatt heraus entstanden. Bei der Kartenherstellung wurden zunächst die Konturen der Karten in Holzplatten geschnitzt, diese dann auf Karton gedruckt und dann mit Hilfe von Schablonen oder freihändig bemalt. In Frankreich hat man die Karten direkt mit Schablonen hergestellt, was die Produktionskosten drastisch senken konnte, aber andererseits einfachere Farbzeichen erforderte. Insgesamt wurden (gegenüber dem deutschen Blatt) auch weniger Einzelheiten bei der Bildgestaltung verwendet, was die Karten rasch zu einem konkurrenzfähigen Produkt werden ließ. Die breite Verwendung des französischen Blattes in Deutschland zeigt noch heute diesen Erfolg.

Das französische Blatt wurde sehr schnell in Massenfertigung produziert und trat schließlich seinen Siegeszug durch ganz Europa an.

Bis die Kartenspiele so aussahen, wie wir es heute gewohnt sind, ist allerdings eine halbe Ewigkeit vergangen. Farbindizes an den Ecken (links oben und rechts unten) tauchen etwa gegen 1810 in den ersten französischen und gegen 1830 in ersten deutschen Spielen auf. Gespiegelte Bilder kennt man seit etwa 1813. Farbindizes an allen vier Ecken gibt es etwa seit 1850. Die Zahlenwerte an den Ecken ca. seit 1870. Die ersten Joker sollen in Kartenspielen um etwa 1855 aufgetaucht sein.

Seit dem 20. Jahrhundert haben sich nicht mehr allzuviele Änderungen bei den Kartenspielen ergeben. Die tiefgreifendste Änderung dürfte die Einführung des Turnier-Skats sein, bei dem die Farben von Pik und Karo in grün und gelb abgeändert wurden. Da diese Karten bei nicht-Turnierspielern in der Regel unbekannt sind, eignen sie sich natürlich hervorragend für "echte" Kartenfärbungen. Turnierskat

Zu der Geschichte der Zauberkunst könnte ich an dieser Stelle sicherlich eine 50-seitige Abhandlung über berühmte Zauberer des 19. Jahrhunderts halten. Ich möchte mich aber hier nur auf die (m.E.) wichtigsten beschränken. Wer Interesse an der Geschichte der Zauberkunst hat, dem sei das Buch "Conjuring" von James Randi empfohlen (Kostet USD 19,95$ also ca. 40.- DM über Amazon oder Bücher.de, ISBN 0-312-09771-9, Ca. 312 Seiten). James Randi gibt einen interessanten Überblick über die Geschichte der Magie. Das Buch enthält einiges an Bildmaterial. Zur Geschichte der neueren Magie ist größtenteils der "amerikanische Markt" beschrieben. Dennoch ist dieses Werk sicherlich sehr lesenswert. Ebenfalls ein sehr gutes Buch ist das Buch "Wunderwelt Magie" von Jochen Zmeck, welches leider im "regulären" Buchhandel nicht erhältlich ist. Ich habe es jedoch aufgenommen, weil Sie es über das Internet bestellen können. Bücher.de bietet das Inhaltsverzeichnis antiquariatischer Bücher auf seiner Homepage an. Geben Sie bitte als Suchbegriff einfach mal "Zmeck" ein und Sie werden sicherlich noch die eine oder andere Ausgabe finden. (Hier habe ich einige interessante Zauberbücher, bzw. Bücher über die Geschichte der Zauberkunst gefunden).

Nun aber zu den Größen des 19. Jahrhunderts:

Robert-Houdin

Jean-Eugène Robert wurde am 7.12.1805 in Frankreich in Blois geboren. Sein Vater war Uhrmacher, bei dem er zunächst das Handwerk lernte. Wie Robert-Houdin letztlich zur Zauberei kam ist nicht ganz sicher. Angeblich wurden ihm einmal in einem Buchladen anstelle von Fachbüchern über die Uhrmacherkunst versehentlich Zauberbücher verkauft (?!?). Durch seine feinmechanische Ausbildung war er in der Lage, "zauberhafte" Apparate zu bauen. Er traf mit einen Automaten den Nerv der Zeit; kurz vorher waren Automaten wie der Schachautomat von Kempelen in aller Munde. So stellte er 1844 auf einer Ausstellung in Paris einen schreibenden Automaten vor. Aber auch im Bereich der Magie erfand er Geräte, deren Prinzipien noch heute gerne verwendet werden (z.B. die Flasche, aus der verschiedenste Getränke kommen können).

 

Harry Houdini

Der große Houdini. Jedes Kind kennt den Begriff "Houdini, der Entfesselungskünstler". Houdini wurde als Erik Weisz am 24.3.1874 in Budapest geboren. Angeblich benannte er sich in Anlehnung an Jean Robert-Houdin "Harry Houdini". Seine berühmten Entfesselungsnummern wurden zwar oft kopiert, jedoch nie von einem zweiten Zauberer in dieser Perfektion erreicht. Houdini verstand es seine Kenntnisse aus seiner Lehrzeit als Schlosser mit seiner übermenschlichen Kraft und seiner absoluten Körperbeherrschung zu vereinen. So konnte er sich in unmöglichsten Situationen fesseln lassen, da er es verstand unbemerkt entweder die ordnungsgemäße Schließung eines Schlosses zu verhindern, oder dessen rasche Öffnung durchzuführen. Ein Großteil seiner Show behandelte Entfesselungstricks. Der berühmteste war sicherlich die Folter-Wasser-Zelle, in der er kopfüber in einen Wasserkäfig getaucht wurde. Houdini starb am 31. Oktober 1926 in Detroit nachdem er durch einen tragischen Unfall eine Blinddarmverletzung bekam, von der er sich nicht mehr erholte. Der Unfall soll sich so zugetragen haben, daß Houdini gegenüber zwei Interviewern behauptet hat, er könnte jedem Fausthieb standhalten, wenn er seine Muskeln entsprechend anspannt. Er wollte sich für eine Vorführung aufrichten, als ihn unvermittelt und unvorbereitet der Schlag eines Amateurboxers genau auf den Solarplexus traf. Hierbei muß er sich einen Blinddarmriß zugezogen haben, an dem er verstarb.
Auch um den Tod von Houdini ranken sich viele Spekulationen. So behauptete ein deutscher Autor, daß Houdini von Spiritisten, deren Tätigkeiten er immer wieder entlarvte, umgebracht wurde, da diese einen Mörder für ihn engagiert hatten.

 

Hofzinser

Johann Nepomuk Hofzinser wurde am 19.7.1806 in Wien geboren. Hofzinser war DER Kartenkünstler des 19. Jahrhunderts. Obwohl er nie auf großen Bühnen auftrat, war seine Kunst weit über Wien hinaus bekannt und findet auch in klassischen Büchern aus den USA Erwähnung. Hofzinser blieb seinem ursprünglichen Beruf (Beamter) treu und veranstaltete in seiner Wohnung dreimal pro Woche eine "Show", die er "Eine Stunde der Täuschung" nannte. Als Eintrittspreis verlangte er einen Golddukaten und führte in seinem Programm neben Mentaltricks vor allem Kartenkunststücke von unglaublicher Perfektion vor.
Hofzinser verstarb am 11.3.1875 in Wien. Bedauerlicherweise legte er testamentarisch fest, daß nach seinem Tode sämtliche Aufzeichnungen und Zaubergeräte zu vernichten sind. Dies führte dazu, daß heute leider nur noch wenige seiner Ideen und Apparate erhalten sind.

 

Chung Lee Soo

Chung Lee Soo, der mit richtigem Namen William Ellsworth Robinson hieß und nicht asiatischer, sondern europäischer Abstammung war, eroberte mit seiner Zauberkunst die Welt im Sturm.Chung Lee Soo trat als Chinese verkleidet auf der Bühne auf und verstand es wie kein anderer mit den magischen Ringen umzugehen. Chung Lee Soo's berühmtester Trick war die "lebende Zielscheibe". Genau bei dieser Trickvorführung starb er 1918 auf der Bühne. Die Hintergründe für diesen Unfall sind nicht eindeutig geklärt. Während einige von Mord ausgehen, gibt es andere, die der Überzeugung sind, Chung Lee Soo hat hier einen perfekten Selbstmord durchgeführt.

 

S.W. Erdnase

Eine der interessantesten Erscheinungen des vergangenen Jahrhunderts war sicherlich das Wirken von S.W. Erdnase. Erdnase trat nie als Zauberer in Erscheinung. Dennoch brachte er 1902 das Buch "Artifice, Ruse and Subterfuge at the Card Table: A Treatsie on the Science an Art of Manipulating Cards" welches später unter dem Namen "The Expert at the Card Table" erschien und noch heute als Standardwerk unter den Kartenkünstlern angesehen ist.
Sein richtiger Name war allerdings nicht S.W. Erdnase. Liest man den Namen rückwärts so ergibt sich E.S. Andrews. Tatsächlich war sein richtiger Name Milton Franklin Andrews, der 1872 in Conneticut, USA geboren wurde. Bedauerlicherweise hat er sein Talent nicht für die Zauberei verwendet, sondern nutzte seine Kartenkenntnisse vor allem, um am Spieltisch die Spielpartner nicht "zu oft" gewinnen zu lassen. 1902 hat er sich dazu entschlossen, seine Kenntnisse in einem Buch zu veröffentlichen, wobei die Historiker derzeit noch darüber streiten, ob er das Buch tatsächlich selbst geschrieben hat oder ob ihn hier ein Ghostwriter beim "formulieren" der einzelnen Passagen unterstützt hat. Bekannt ist jedenfalls, daß die in seinem Buch enthaltenen Zeichnungen tatsächlich seine Hände darstellten, da er einen Zeichner engagierte, der seine Griffe zu Papier bringen sollte. Dieses Buch umfaßte zum damaligen Zeitpunkt einen nahezu kompletten Abriß der Techniken, derer sich die Falschspieler aber auch die Zauberer der damaligen Zeit bedienten.

Andrews verstarb 1905, als er, nachdem er von der Polizei in seinem Apartment aufgrund des Mordverdachts an seiner ehemaligen Lebensgefährtin gestellt wurde, zunächst seine Lebensgefährtin und dann sich selbst erschoß.