Spielkarten und Zauberei im Mittelalter

Das Mittelalter war in vielerlei Hinsicht wohl eine sehr düstere Zeit. Religiöse Fanatiker verhinderten die technische Entwicklung der Menschen durch die Verteufelung jeglicher Innovation. Alles was nicht mit den Gedanken der Kirche konform läuft, kann letztendlich nur mit dem Teufel in Verbindung stehen (Dieser Glaube ist auch in unserer, angeblich so aufgeklärten Zeit einfach nicht auszurotten; in gewissen Regionen im Süden Deutschlands aber auch in einigen Gegenden z.B. Amerikas glauben nach wie vor sehr viele Menschen an die Leibhaftigkeit des Teufels). Der große vorherrschende Aberglaube tat ein übriges hinzu. Darunter leiden durften im Endeffekt alle. Auch das damalige "Schaustellergewerbe" (damals auch einfach nur Gaukler oder Taschenspieler genannt) kam nicht ungeschoren davon. Der Glaube an Geister, Teufel oder Hexen ließ schnell die Vermutung aufkommen, daß jemand, der es verstand, Steinchen unsichtbar von einem Becher in einen anderen wandern zu lassen, wohl mit dem Teufel in Verbindung stehen müßte. So wurde im 15. Jahrhundert in Deutschland ein Mädchen der Ketzerei beschuldigt, weil sie ein Taschentuch zerreißen und wiederherstellen konnte!! Diese traurige Zeit, die der Kirche der damaligen Zeit vor allem dazu diente ihre Macht nahezu grenzenlos auszuweiten, indem sie den Entwicklungsstand der Menschen bis in die Bronzezeit zurückwarf, soll hier nur am Rande betrachtet werden. Es muß aber dazu gesagt werden, daß aus diesem Grunde leider nur sehr wenige Überlieferungen von den Kenntnissen und Fähigkeiten existieren. Genauso selten sind entsprechende Zauberutensilien, seinen es komplizierte Apparate oder einfache Spielkarten, da diese häufig als Teufelswerk den Flammen zum Opfer fiel. Aber nicht nur die Kirche "verteufelte" die Spielkarte. Viele Komponisten, Dichter und Philosophen befaßten sich in den letzten Jahrhunderten ausgiebig mit dem Thema Spielkarte. Schopenhauer schrieb beispielsweise: "Daher also ist, in allen Ländern, die Hauptbeschäftigung aller Gesellschaft das Kartenspiel geworden: es ist der Maßstab des Wertes derselben und der deklarierte Bankrott an allen Gedanken. Weil sie nämlich keine Gedanken auszutauschen haben, tauschen sie Karten aus und suchen einander Gulden abzunehmen. O klägliches Geschlecht!"

Die Spielkarte findet in Europa erstmalig etwa im 14. Jahrhundert Erwähnung. 1377 wurden Spielkarten erstmals in ihrem Aufbau in einem Traktat des deutschen Mönches Johannes beschrieben. Er spricht von insgesamt 52 Karten (je Farbwert 13 Karten. Die erste (höchste) Karte stellte das Abbild eines Königs dar. Danach kamen zwei Marschälle, wobei ersterer (Ober bzw. Dame) das Symbol nach oben und der zweite (Unter bzw. Bube) das Symbol nach unten hielt. Zur damaligen Zeit dürften die vier Symbole Schwerter, Keulen, Becher und Münzen benutzt worden sein. Dann kommen noch die Kartenwerte von 1-10 wobei das jeweilige Königsbild entsprechend häufig auf der Karte abgebildet ist.

Offensichtlich gab es sie aber schon wesentlich länger, da bereits 1378 von der Stadt Ravensburg ein Dekret erlassen wurde, welches das Spielen mit Karten verbot (Teufelswerk). Daß Spielkarten ein Werk des Teufels seien entstammt der Feder eines Franziskanermönches (Johannes Capistranus 1386-1456), der in vielen Städten Scheiterhaufen für Spielkarten und Würfelspiele etc. errichten ließ. Ein der Stadt Ravensburg ähnliches Verbot wurde auch 1399 in Frankreich ausgesprochen, da sich viele Handwerker und andere Leute statt der Arbeit dem Spiel widmeten und so zu einem schlechten Lebenswandel übergingen. Wahrscheinlich stammt sogar schon aus dieser Zeit der Spruch, daß Spielkarten das "Gesangsbuch des Teufels" seien. Über Deutschland und Polen drangen die Spielkarten immer weiter in Richtung Nordosteuropa vor. Auch hier müssen sie einige Mitmenschen zur Spielsucht verleitet haben, so daß 1649 in einem vom Zaren erlassenen Gesetz drakonische Strafen für das Spielen mit Karten angedroht wurden. Die Herrschersippe hatte mit der Gesetzgebung jedoch keinesfalls Befürchtungen um das Wohlergehen ihrer Leibeigenen. Die deutschen und anderen Fürstenhäuser lebten ganz gut von den Steuereinnahmen ihrer Untertanen. Es bestand lediglich die Befürchtung, daß sich einige vielleicht um Haus und Hof spielen könnten. Die daraus resultierenden geringeren Steuereinnahmen sollten nach Möglichkeit vermieden werden. In den Adelshäusern der damaligen Zeit erfreute sich das Karten- und Glücksspiel, trotz entsprechender Verbote, großer Beliebtheit. Güter und Besitztümer, die in Jahrhundertelanger Unterdrückung den Leibeigenen abgepreßt worden waren, wechselten am Spieltisch über Nacht den Besitzer.

Spielkarten müssen aber, selbst in der Papierform, schon wesentlich älter sein. Angeblich wurden Spielkarten um 1120 zur Unterhaltung der Konkubinen des Kaisers Sèun Ho erfunden. Natürlich gibt es auch entsprechende Legenden, daß Kartenspiele aus Indien kommen und mit den ersten Kreuzzügen aus dem arabischen Raum nach Europa gelangten. Den vier Symbolen (Schwerter, Keulen, Becher und Münzen) sollen folgende Bedeutungen zugekommen sein: Das Schwert soll das Symbol der arabischen Fürsten als Vorkämpfer des Islam darstellen. Der Becher war das Zeichen der Gastfreundschaft, der Stab bzw. die Keule sollte die richterliche Rechtsprechung durch die Herrscher darstellen und die Münze ein Symbol des Handels oder des Reichtums. Eine andere Deutung sieht diesen Ursprung eher im indischen Raum, da einige Götter mit diesen Symbolen abgebildet sind, z.B. die Göttin Ardhanari, die in Ihren vier Händen Stab, Becher, Schwert und Ring hält. Die "europäische Vermutung" geht davon aus, daß die Farben Symbole für die vier Stände darstellten: die Schwerter den Ritterstand, die Stäbe die Bauern, die Kelche den Klerus und die Münzen die Kaufleute.  Hier streiten sich Gelehrten immer noch (wahrscheinlich an langen Skatabenden... (Mich wundert nur, daß noch keiner auf die Idee gekommen ist, daß die Dinger uns vielleicht von Außerirdischen gebracht wurden :-)) ). Jedenfalls gab es bereits im 14. Jahrhundert erste Kartenmacherinnungen (zumindest in Süddeutschland). Am bekanntesten dürften die Ulmer Karten gewesen sein, die, in Fässern verstaut, in großen Mengen exportiert wurden. Am deutlichsten zeigt sich dies an einer Beschwerde, die 1441 die Kartenmacher von Venedig bei Ihrem Dogen (eine Art Bürgermeister) vorbrachten, weil ihres Erachtens zu viele dieser Karten in Venedig importiert wurden. "Den 11. Oktober im Jahre 1441. Hiermit wird befohlen und festgesetzt, dass diese Meister von jetzt an keine Arbeiten dieser Kunst, seien sie gedruckt oder auf Stoff gemalt oder auf Papier mit Pinsel gezeichnet herbeibringen dürfen, sonst werden sie bestraft mit 30 Lire und 12 Soldi, von diesen ein Drittel an die Stadt geht, ein Drittel an die Anwälte und ein Drittel an den Kläger. Zu diesen Bedingungen dürfen die Meister, die diese Arbeiten tun, sie außerhalb ihrer Geschäfte nur auf den Märkten von San Polo und San Marco verkaufen.”

Bedingt durch die große Beliebtheit der Spielkarten, die, nachdem Sie die Adelshäuser erobert hatte, nun in der Herstellung so günstig wurden, daß es sich auch die armen Leute leisten konnten, kam man rasch auf die Idee, aus den Spielkarten für die Herrscher der damaligen Zeit Kapital zu schlagen. Frankreich war das erste Land, welches eine Abgabe auf Spielkarten erhob. Einerseits um Einnahmen zu sichern, andererseits aber auch, um die eigene Produktion vor billigeren Importen zu schützen (es hat sich irgendwie nicht viel geändert...). In England kam die Spielkarte erst im Verlaufe des Hundertjährigen Krieges auf. Aber auch schon kurze Zeit danach entstanden dort Kartenmanufakturen, die sich ebenfalls schnell durch entsprechende Erlasse vor allzuvielen Importen schützten.

Seit 1583 wurde von Spielkartenherstellern eine Abgabe für jedes angefertigte Spiel gefordert. Um 1700 wurden in Deutschland Kartenspiele mit eigenen Farben mit einem Groschen, ausländische Fabrikate mit zwei Groschen besteuert. Offensichtlich hat sich die Abgabe gelohnt. 1724 fertigten zwei Kartenhersteller insgesamt 60.000 Spiele. Die Strafen für den Besitz eines ungestempelten Kartenspiels waren extrem hoch. Ein Kartenmacher mußte hierfür 10 Reichstaler, ein Kaufmann 100 Reichstaler bezahlen. Ein Spieler, der mit ungestempelten Karten spielte mußte mit einer Strafe von "3 Pfund Pfennig" rechnen, von der der Denunziant ein Drittel als Prämie erhielt.

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Spielkarten um 1550
Quelle:  Katalog Nr. 21 des bayerischen Nationalmuseums München (S.71)

Da Spielkarten kulturhistorische Dokumente darstellen, und in ihrer Vielfalt und Ausprägung sehr umfangreich sind, gibt es einige Menschen, die sich dem Sammeln von Spielkarten verschrieben haben. (Ich habe irgendwo mal gelesen, daß einige mit Verwunderung sehen, daß man mit Spielkarten tatsächlich spielt und diese als Gebrauchsgegenstand ansieht). In Deutschland gibt es sogar mehrere Spielkartenmuseen, deren Besuch sich für interessierte auf jeden Fall lohnt. Von den ältesten noch existierenden Kartenspielen dürfte das Ambraser Hofjagdspiel (etwa um 1440 - 1445) mit zu den bekanntesten zählen. Das Kartenspiel wird im Schloß Ambras bei Innsbruck verwahrt. Einen Nachdruck dieser Karten kann über PIATNIK bezogen werden. Der Spielkartenhersteller hat einige interessante "historische" Karteneditionen auf den Markt gebracht. Neben dem Ambraser Hofjagdspiel (No. 2896) gibt es auch noch das Ambraser Hofämterspiel (No. 2856) sowie das "Spiel der Mächtigen" (No. 2860) und weitere sehr ansehnliche Karten, beispielsweise "alte" Tarockspiele oder Wahrsagekarten. Zu den sicherlich reizvollsten Spielkarten des 16. Jahrhunderts dürfte das Kartenspiel des 1522 in Nürnberg ansässigen Schweizers Peter Flötner (1490-1546) gehören, auf dem die bäuerliche und bürgerliche Welt der Renaissance lebendig werden (als Nachdruck bei Piatnik No. 2898 erhältlich).

Bereits von 500 Jahren hatten die Kartenspieler unter den allzu neugierigen Blicken von zuschauenden Besserwissern zu leiden. Der Arzt und Astrologe Leonhard Thurneysser erließ daher im Jahr 1583 für die Berliner Gastwirte eine "Newe Straffordnung". (Der nachfolgende Text ist dem "Führer durch das Spielkartenmuseum Altenburg" von Kurt Schulze entnommen):

Wer denen fleißigen Spielern über die Achseln gucket, also daß ine eyn heiße Angst wurt, den soll man bald verjagen und heißt ihn ein Kiebitz. Wer aber die Karte von zween Spielern beglotzert hat und kommt eyn Lüstleyn, eynem etwas kundzuthun durch Klappern mit den Augen oder er schwatzet mit dem Maul, den soll man pönitieren um 30 pfennige in guter Müntz oder eyn Krügelein voll Märtzbier zu gemeynem Besten, dann verjag ihn. Wer aber bedünket, so voll Weisheit zu seyn, daß Er den Spielern will nicht recht gespielet, den soll man auf sein Maul schlagen, auch ime das Käpplein über die Ohren treyben, denn er ist ein Esel, dazu soll man ihn verstäupen und werffe ihn auf die Gaß.

Nun aber wieder zurück zum Thema Zauberkunst. Ende des 16. Jahrhunderts erschien der "Klassiker" der magischen Literatur. Dieses Buch wird in nahezu jedem Werk über Magie erwähnt, wenn es darum geht, die Geschichte derselben darzustellen. Es handelt sich um das Werk "The Discoverie of Witchcraft" von Reginald Scott welches 1584 erstmalig in England erschien. Hierin wurde gezeigt wie einige Tricks funktionieren. Scott hat in diesem Werk umfassende Erklärungen über Münztricks, Seiltricks oder Tricks mit Karten abgegeben. Ziel dieses Buches war es, die gezeigten Wunder zu "entzaubern" und lediglich als einfache Betrügerei oder Trick zu enttarnen. Es dauert allerdings noch lange, bevor die Menschen davon abließen, Zauberer oder Hexer wegen eines unerklärlichen Tricks umzubringen.
Interessant ist allerdings, wie viele noch heute aktueller Tricks bereits vor mehreren Jahrhunderten bekannt waren. Bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts wurden auch Tricks auf chemischer Basis, auf (elektro)magnetismus, Schallübertragung oder optischen Täuschungen gerne vorgeführt. Diese Tricks, die damals noch Massen begeistern konnten, fristen nunmehr ein eher bedeutungsloses Dasein in Form von Chemie-, Elektronik- oder Physikbaukästen für Kinder im Alter von 8-12 Jahren.

Ich möchte es an dieser Stelle zunächst einmal mit dem Thema Mittelalter belassen, da die in der Literatur vorhandenen Hinweise zu damaligen Tricks eher spärlich sind. Dem interessierten Leser sei empfohlen, in einer größeren Bibliothek nicht nur nach Magie und Hexenkunst, sondern auch in den Rubriken Glücksspiel zu suchen, denn gerade Tricks mit Münzen, Bechern oder Spielkarten dienten damals wie heute immer wieder dazu, ahnungslosen Bürgern das Geld "aus der Nase" zu ziehen.