Ablenkung

Nicht nur das Wissen wie ein Trick funktioniert, sondern auch die Fähigkeit, wie man die Zuschauer gekonnt von dem eigentlichen Geschehen ablenkt, unterscheidet den Hobbyzauberer vom wahren Künstler. Wer es schafft die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf scheinbar wichtige Dinge zu lenken, während er gerade mit der anderen Hand einen Griff ausführt gehört zu den Meistern seines Fachs. Viele Zuschauer glauben immer noch, daß Fingerfertigkeit vor allem etwas mit Geschwindigkeit zu tun hat. Dabei gehört es zu einem unserer Urinstinkte, auf rasche Bewegungen zu reagieren, da vor einigen tausend Jahren diese Fähigkeit noch überlebensnotwendig war. Bewegt der Zauberer jedoch scheinbar gleichgültig seinen nichttätigen Arm, so erregt dies im allgemeinen nicht den Verdacht der Zuschauer. So kann der Zauberer beispielsweise einen Ball mehrfach in die Luft werfen. Während die Zuschauer vor allem auf den Flug des Balls achten, kann die freie Hand des Zauberers gemächlich in die Tasche greifen und den nächsten Ball hervorholen. Das Sprichwort "Geschwindigkeit ist keine Hexerei" kann so völlig neu interpretiert werden.

Ein Großteil der Ablenkung und der Magie an sich basiert nicht unbedingt auf physikalischen bzw. physischen Gegebenheiten, sondern auf rein psychischen Gegebenheiten. Magie basiert nicht auf dem was Sie tun, sondern auf dem, was die Zuschauer wahrnehmen. Ein Magier weiß um die fünf Sinnesorgane des Menschen. Keines dieser Sinnesorgane ist perfekt, man muß nur wissen, wie man diese täuschen kann. Wenn die Zuschauer glauben, bestimmte Dinge wahrzunehmen, obwohl Sie in der Realität gar nicht passieren, findet eine entsprechende Täuschung statt. Die bekanntesten Täuschungen sind die sog. optischen Täuschungen. Früher auch häufig von Zauberern verwendet, finden sich viele Beispiele mittlerweile in jedem Physikbuch. Dennoch wird auch heute noch gerne vor allem mit optischen Täuschungen (Als Beispiel sei der Trick "U don't get the Girl" genannt) und der Trägheit des Auges und der Sinne gearbeitet. Ein Zauberer wirft beispielsweise einen Tennisball in die Luft und fängt ihn wieder auf. Dies führt er mehrfach durch, bis sich alle auf diesen Tennisball konzentrieren. Beim letzten Wurf wird der Ball allerdings nicht mehr in die Höhe geworfen, sondern lediglich die Wurfbewegung ohne Ball ausgeführt. (Der Ball wurde jeweils unter einem Tisch aufgefangen und diesmal verschwand er in einer entsprechenden Auffangvorrichtung). Die Zuschauer "sehen" allerdings nach wie vor, daß der Ball wieder in die Luft steigt und auf einmal plötzlich weg ist. D.h. das Gehirn gaukelt uns eine Situation vor, bis das Auge die tatsächliche Information revidieren kann. Der Effekt ist vollkommen.

Ich möchte nicht näher auf die Funktionsweise des Gehirns eingehen, jedoch kurz das Funktionsprinzip der Sinneswahrnehmung darstellen. Die Informationen, die über unsere Aufnahmeschnittstellen (Sehen, Hören, Schmecken, Fühlen, Riechen) aufgenommen werden, werden vom Gehirn interpretiert. Hierzu nimmt das Gehirn Vergleichswerte aus der Vergangenheit hinzu und verarbeitet die Informationen entsprechend. Ohne diese Vergleichswerte, wäre es dem Menschen nie möglich etwas zu lernen und Sie würden sich jeden Tag die Finger an einer glühenden Herdplatte verbrennen.
Aber genau an unseren Erfahrungswerten setzt die Magie an. Einen Menschen kann man dann faszinieren bzw. erstaunen, wenn man etwas geschehen läßt, was entsprechend seines Erfahrungswissens nicht sein kann. Kleine Kinder haben dieses Erfahrungswissen nicht und wundern sich natürlich mehr über Dinge, als ein Erwachsener. Während für viele z.B. Schneeflocken mitunter eher ein ärgerliches Hindernis auf dem täglichen Weg zur Arbeit sind, fasziniert dies jedes kleine Kind aufs neue. Andererseits wäre es wahrscheinlich für ein Kind, das zum ersten Mal in seinem Leben Schnee sieht genauso normal, als wenn ein Mensch auf einmal fliegen kann. Während hier Erwachsene mit scheinbar fliegenden Dingen leicht zu erstaunen sind, mag dies für ein Kind einfach wieder eine neue Erfahrung sein => "Aha, manche Dinge können fliegen".

 

Während der Close-Up Performer durch seine Stimme oder die Bewegung des "anderen" Armes versucht die Zuschauer vom eigentlichen Geschehen abzulenken, setzen Illusionisten gerne leicht bekleidete Damen ein, die mit entsprechenden Bewegungen zumindest den männlichen Teil der Zuschauer abzulenken weiß. Angeblich ist dies notwendig, da Männer anscheinend eher dazu neigen, immer wissen zu wollen, wie etwas funktioniert und eine Zaubershow eher deswegen besuchen, weil sie hinter die Tricks kommen möchten, während Frauen eher bereit sind, sich einfach mal verzaubern zu lassen, ohne unbedingt hinter die Trickgeheimnisse kommen zu wollen

Wie man die Kunst der Ablenkung lernt, kann ich Ihnen auf diesen Seiten leider nicht rüber bringen. Dieses Thema verlangt einiges an Selbstdisziplin und setzt mindestens ebensoviel an Übung voraus. Sie müssen lernen, sich voll auf einen Punkt zu konzentrieren und auch nur diesen anzuschauen. Dann werden Ihre Zuschauer auch Ihren Blicken folgen. Gleichzeitig haben Sie dann die Chance genau in diesem Moment ihre unbemerkte Handbewegung durchzuführen. Sollten Sie mir Ihren Blicken aber dieser Bewegung folgen, werden die Zuschauer auch sofort auf diese Bewegung aufmerksam.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Zuschauer, wenn Sie erst einmal in Ihrem Bann sind wirklich einfach zu beeinflussen sind. Während ich rede und den Zuschauern dabei direkt in die Augen blicke, kann ich damit beginnen, die Karten zu mischen. Während des Mischens (die Zuschauer glauben zumindest, daß man das tut), kann man einzelne Karten ohne Probleme umdrehen, oder manchmal sogar das gesamte Deck austauschen.

Wenn Sie sich eine Karte betrachten wollen, z.B. die unterste oder oberste Karte im Stapel, ist der geeignetste Zeitpunkt dafür genau dann, wenn der Zuschauer sich gerade die von ihm gezogene Karten anschaut. Seine Sinne sind komplett auf seine Karte gerichtet. Er wird versuchen, sich die Karte zu merken. In diesem Augenblick haben Sie genügend Zeit, sich die unterste Karte anzuschauen, oder das Kartendeck gegen ein anderes Deck (z.B. mit einem anderem Rückenmuster) auszutauschen.

Sie können auch die Aufmerksamkeit der anderen Zuschauer auf ein bestimmtes Objekt oder den Zuschauer lenken, der eine Karte gezogen hat. Sagen Sie ihm, daß er die Hand nach vorne ausstrecken soll. "Ja genau so, nein noch etwas höher, ja so scheint es gut zu sein"...."Nein, schon wieder verkehrt so rum, etwas höher, ja, genau, denn sonst funktioniert es nicht". Alle Augen der Zuschauer sind auf diese Hand gerichtet. Warum muß sie so gehalten werden, warum nicht anders....

Versuchen Sie aber nicht, für jeden Trick eine andere Form der Ablenkung zu finden. Studieren Sie eine Methode gut ein und das ist dann Ihre Bewegung, die Sie ganz natürlich ausführen. Der Vorteil liegt darin, daß die Zuschauer keinen Verdacht schöpfen, da die Bewegung immer wieder durchgeführt wird. Sie können die Bewegung auch vorher schon bei Trick durchführen, bei denen sie gar nicht notwendig ist, so daß sich die Zuschauer daran gewöhnen und dann, wenn sie tatsächlich damit versteckte Gegenstände hervorholen oder verschwinden lassen, nicht weiter darauf achten. Wenn Sie eine Methode der Ablenkung beherrschen, eröffnen sich völlig neue Kapitel der Kartenkunst, bei denen es Ihnen gelingt, nicht nur Tricks vorzuführen, die auf mathematischen Prinzipien beruhen, sondern Tricks bei denen sich die Rückenmuster eines ganzen Kartendecks mehrfach in ihrer Farbe wechseln etc.